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An dieser Stelle präsentieren wir Ihnen unsere Geschäftsberichte der vergangenen Jahre, die 100-Jahre-Festschrift der WGA und andere Publikationen.
Auszug aus der Festschrift „WGA 100”
Ein Anfang mitten im Krieg
Es war Herbst 1916. In Verdun und an der Sommes tobten seit schier endlosen Monaten die verlustreichsten Schlachten des ersten Weltkriegs. Und während Hunderttausende Soldaten – Deutsche, Franzosen, Briten in den Schützengräben und Stacheldrahtverhauen ihr Leben verloren, reifte bei der Bevölkerung des deutschen Reichs daheim langsam die Erkenntnis, dass dieser Krieg doch nicht so schnell siegreich beendet werden könnte wie zuvor erwartet.
Hunger und Mangelwirtschaft bestimmten das Leben. Das gesamte wirtschaftliche Schaffen war von der Reichsregierung auf die Kriegsindustrie ausgerichtet worden, an die Stelle des freien Handels die Zwangsbewirtschaftung getreten. Infolge der Seeblockade kamen keine Waren mehr an, und der Mangel an wichtigen Gütern insbesondere im Nahrungsmittelbereich wurde täglich größer. Um Wucher und Preistreiberei einzuschränken, setzte die Regierung zunächst Höchstpreise fest und ging schließlich zur Kontingentierung und zur Verteilung von Lebensmittelkarten über.
Die Händler konnten in diesem Ausnahmezustand nicht mehr selbst über ihr Geschäft entscheiden, sondern wurden in ihrem Tun von kriegswirtschaftlichen Verordnungen eingeschränkt. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 1916 wurden 35 neue Rechtsnormen den Handel betreffend erlassen, vom Verbot der Verwendung von pflanzlichen und tierischen Ölen und Fetten für technische Zwecke, über die Regelung der Einfuhr von Margarine oder Salzheringen bis hin zur Festsetzung der Preise für Brot- und Saatgetreide oder künstliche Düngemittel. Gelder wurden eingefroren, der Zahlungsverkehr mit dem Ausland praktisch eingestellt.
Die Industrie, insbesondere die Industrie für die Herstellung kriegswichtiger Güter, stand unter dem besonderen Schutz der Reichsregierung. Die deutschen Groß- und Außenhändler drohten hingegen zu einem verlängerten Arm der Kriegswirtschaft zu werden. Sie sahen ihre berufsständische Unabhängigkeit im Kern gefährdet, hatten den obrigkeitlichen Eingriffen in ihr Geschäft aber nichts entgegenzusetzen. Zudem sahen sich die Händler dem Vorwurf ausgesetzt, für Preistreiberei und Wucher verantwortlich zu sein. Mit besonderen Kontrollen wollte etwa der Senat Spekulationen mit Nahrungsmitteln an der Hamburger Börse begegnen.
Wie sollten die Händler darauf reagieren? Zwar hatten sie sich im Zuge der engen Verflechtung in der Weltwirtschaft und dem starken Wachstum ihres Geschäfts in den Vorkriegsjahren in Fachverbänden organisiert, in denen branchenspezifische Probleme gelöst wurden, aber dem kriegswirtschaftlichen Staatsapparat hatten sie nichts entgegenzusetzen. Den Groß- und Außenhändlern fehlte eine eigene Stimme, die mit entsprechendem Nachdruck ihre berufsständischen Interessen vorbringen und die Vorwürfe der Preistreiberei entkräften konnte. In jenem blutigen Herbst 1916 schufen sie die dafür geeignete Institution.
Als sich der Hamburger Groß- und Außenhandel unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Nazi- Diktatur 1945 neu konstituierte, urteilte die WGA in ihrer Gründungserklärung rückblickend über diese Anfänge im Ersten Weltkrieg: „Aus den Verhältnissen des ersten Weltkrieges ergab sich die Notwendigkeit eines engen verbandsmäßigen Zusammenschlusses der bestehenden Fachverbände des Groß- und Außenhandels zu einer zentralen Berufsorganisation, nachdem im steigenden Maße die Bedeutung und Aufgaben des Berufsstandes von Außenstehenden verkannt wurden und durch ungerechtfertigte Angriffe und die dadurch beeinflussten Maßnahmen der Behörden die allein auf sich selbst gestellte Arbeit der Fachverbände eine mehr und mehr fühlbare Beeinträchtigung erfuhr.“
Um sich gegen die ihrer Meinung nach ungerechtfertigten Angriffe zu schützen, gründeten die Händler 1916 in Berlin den Zentralverband des Deutschen Großhandels. Ein „Zusammenschluss der Gesamtheit des Großhandels zum Schutze, zur Wahrung und zur Förderung der Interessen dieses Berufsstandes“ hieß es in der Urkunde. Der Zentralverband setzte sich aus 25 regionalen Bezirksgruppen zusammen, die nach und nach im Reich gegründet wurden. Eine dieser Bezirksgruppen, ihre bedeutendste, entstand in jenem Herbst in Hamburg. Es war die Geburtsstunde der späteren WGA.
Am 15. September 1916 berichteten die Hamburger Nachrichten: „...wurde gestern in Hamburg die Bezirksgruppe des Zentralverbands des Teutschen Großhandels gegründet. Diese Bezirksgruppe wird eine der wichtigsten.... der neuen Organisation, deren Wirkungskreis sich über das ganze Reich erstreckt, bilden. Der Hamburger Großhandel aller Zweige, besonders auch der Rohstoffhandel, besitzt eine so außerordentliche Bedeutung, dass sein Anschluss an den Zentralverband dem Wesen des ganzen Vaterlands ein ganz besonderes Gewicht verleihen wird.“
Es waren die Worte einer sehr selbstbewussten Bezirksgruppe, die unter dem Vorsitz des renommierten Wollhändlers H. A. Klöpper, Firma Wm. Klöpper gegründet wurde, übertrieben waren sie aber nicht. Die Geschichte Hamburgs ist seit dem Aufkommen des Bürgertums im Spätmittelalter und der Herausbildung der Hanse eng mit dem Handel verknüpft. Mit ihrem Hafen stieg die Hansestadt im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu der deutschen Drehscheibe des Handels auf. Nach London war Hamburg der größte Industrieexporteur und Kolonialwaren- und Rohstoffimporteur Europas. Hier hatten die meisten Handelsvertretungen des deutschen Reiches ihren Sitz. So war es nur logisch, dass die damalige Bezirksgruppe der Händler, die später, nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs WGA heißen sollte, in der zentralen deutschen Handelsorganisation eine besondere Rolle spielte.
Das Grundverständnis, die Freiheit des Handels durchzusetzen und zu bewahren, ist das verbindende Glied der heutigen WGA mit ihrer Keimzelle, der Hamburger Bezirksgruppe im Zentralverband des Deutschen Großhandels. In ihrer praktischen Arbeit hat die WGA mit ihrer Vorläuferin hingegen wenig gemein. Jene verstand sich, wie gesagt, in erster Linie als eine berufsständische Vertretung. Sie bearbeitete berufliche Fragen des deutschen Großhandels. Dazu gehörte neben den kriegsbedingten Einschränkungen auch die Sicherung der Arbeitskräfte. Im Ersten Weltkrieg betrug der kriegsbedingte Geburtenausfall 3,5 Millionen Menschen. Die Händler sorgten sich um Nachwuchs und Ausbildung in ihrem Berufszweig und erhofften sich Impulse von der eigenen Organisation. Fachliche Fragen wurden von der Hamburger Bezirksgruppe des Großhandelsverbands nicht behandelt. Sie gehörten ausschließlich zur Kompetenz der Fachverbände. Dass sich diese Ausrichtung der Institution später einmal grundsätzlich drehen sollte, konnte damals in den Kriegswirren niemand ahnen.
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